Johannes Kepler



Johannes Kepler, Astronom und Mathematiker, geb. den 27. Decbr. 1571 zu Weil der Stadt in Württemberg, † den 15. Novbr. (neuen Styles) [604] 1630 zu Regensburg. Der Geburtsort des großen Mannes, dessen Namen übrigens auch häufig in der Form Keppler vorkommt, war lange Zeit, ähnlich wie derjenige Homer’s, ein umstrittener; die Städte Weil und Leonberg sprachen ebenso wie das Dorf Magstatt die Ehre an, K. den Ihrigen zu nennen. Durch die gründlichen archivalischen Forschungen des Oberjustiz-Revisors Gruner in Ulm ward es jedoch außer Zweifel gestellt, daß der berühmte Astronom in dem „Keplerhaus“ am Marktplatze des zweitkleinsten deutschen Reichsstädtchens das Licht der Welt erblickte.


Johannes Kepler Bild aus dem Jahre 1610

Seine Familie war eine ursprünglich hochangesehene adelige, denn zwei Träger des Namens Kepler hatten sich unter Kaiser Sigismund ausgezeichnet, dem einen war auf der Tiberbrücke von dem soeben gekrönten Kaiser der Ritterschlag ertheilt worden. Später scheint die Familie sich in Nürnberg niedergelassen zu haben, denn wenn auch von einigen Seiten der Zusammenhang des fränkischen Geschlechtes mit dem schwäbischen um deswillen bezweifelt werden wollte, weil ersteres sich „Kepner“ schrieb, so braucht doch dieser Gegengrund angesichts der schwankenden Namen-Rechtschreibung jener Zeiten nicht für gewichtig erachtet zu werden. Kepler’s Großvater Sebald dürfte der Sohn eines von Nürnberg nach Weil übergesiedelten Bürgers gewesen sein; er wurde regierender Bürgermeister des kleinen Gemeinwesens und betheiligte sich lebhaft an der Durchführung der Reformation in Weil der Stadt. Sebald’s vierter Sohn, Heinrich, trat schon mit kaum 21 Jahren in den Stand der Ehe, halb und halb gezwungen durch eine vielen schwäbischen Reichsstädten gemeinschaftliche Satzung, nach welcher ledige Bürgerssöhne kein selbständiges Gewerbe betreiben durften. Am 15. Mai 1571 führte er Katharina Guldenmann, die Tochter des Bürgermeisters in dem benachbarten Eltingen heim, und dieser Ehe entsproß Johannes K., der, als schwächliches Siebenmonatkind geboren, in den ersten Lebensjahren gerade der sorgsamsten Pflege bedurft hätte. Eine solche scheint ihm indeß nicht zu Theil geworden zu sein; die Ehe der Eltern war keine glückliche, die Mutter hochfahrend und wenig häuslich, der Vater unstet und jähzornig.

Der kriegerische Sinn seiner Ahnen war auch ihm zum Erbtheile geworden, und da ihm die Heimath keinen Platz für seinen Thatendrang bot, so trat er als Söldner in die Dienste Herzog Alba’s. Und Katharina Keplerin, die am 12. Juni 1573 ihren zweiten Sohn Heinrich geboren und soeben erst einen heftigen Anfall der damals wüthenden Pest überstanden hatte, zog ihrem Gatten in den Krieg nach und führte mit ihm in Belgien ein wüstes Wanderleben, während ihre beiden Kleinen dem Schutze der Großeltern anvertraut blieben. Johannes erkrankte an den Blattern und, wenn auch die drohende Erblindung von ihm abgewendet werden konnte, so blieb sein Körper doch noch lange siechhaft und schwach. 1577 ward er, wie seine eigenhändigen Aufzeichnungen besagen „in ludum literarum germanicum“ geschickt, doch blieb er der Obhut des deutschen Schulmeisters in Weil nicht lange unter- stellt. Vielmehr ging er anscheinend schon im folgenden Jahre an die lateinische Schule der nachbarlichen württembergischen Stadt Leonberg über, in welcher seine Eltern nach ihrer Rückkehr aus dem spanisch-niederländischen Kriege (1575) ihren Wohnsitz genommen hatten.

Freilich nicht für lange, denn der unruhige Vater ließ sich schon bald nachher wieder zum Kriegsdienste anwerben, und als er zum zweiten Male heimgekehrt war, verlor er durch eine unvorsichtig übernommene Bürgschaft sein ganzes Vermögen und durfte sich glücklich schätzen, in dem badenschen Flecken Ellmendingen [WS:bei Pforzheim, heute zur Gemeinde Keltern gehörig] ein Wirthshaus pachten zu können. Diese ungünstigen Verhältnisse ließen auch den Schulbesuch nicht recht gedeihen, und erst 1579 konnte K. in die zweite Classe der Lateinschule eintreten, die er wiederum erst 1582 vollenden konnte, da er inzwischen immer von seinen Eltern zu häuslichen und ländlichen Arbeiten herangezogen ward. Am 17. Mai 1583 [605] bestand der noch nicht zwölfjährige Knabe das sogenannte ,,Landexamen“, von dessen Ausfall die Aufnahme in eine Klosterschule abhing, resp. noch heute abhängt. Kepler’s Eltern waren um diese Zeit bereits wieder nach Leonberg zurückgezogen, wo ihnen 1584 die von dem ältesten Bruder später so zärtlich geliebte Tochter Margaretha geboren ward. Am 16. Octbr. 1584 sah sich K. in die sogenannte Grammatisten-Klosterschule zu Adelberg aufgenommen. Strenge, ganz den klösterlichen Traditionen entsprechend, war die Erziehung in diesen evangelischen Klosterschulen eingerichtet; schon um 4 Uhr im Sommer, um 5 Uhr im Winter begann daß Psalliren, und auch die Kost war alles andere eher denn reichlich.

Gelernt wurde eigentlich nur Lateinisch, denn daß Griechische erstreckte sich höchstens bis zu Xenophon’s Kyropädie, und auch die Unterweisung in den sieben freien Künsten dürfte mehr blos einen dekorativen Charakter gehabt haben. Unter Magister Bernhard Sick’s Leitung machte K., der schon damals viel mit theologischen Speculationen sich abgab, tüchtige Fortschritte und erhielt am 6. Octbr. 1586 die Erlaubniß zum Vorrücken in die „mehrere“ Klosterschule zu Maulbronn, in welcher er bis zum Beziehen der Universität verbleiben sollte. Im October 1587 hatte er sich daselbst dem Schulgebrauch der ,,Deposition“ zu unterziehen. Zu lernen gab es hier genug: auf Rhetorik und Stylübung wurde durch Pflege der sonntäglichen Disputationen und eigener Aufsätze Gewicht gelegt, die Lectüre und Interpretation der heiligen Schrift ward im großen Umfange getrieben, daneben aber auch Arithmetik und sphärische Astronomie. Obwol ihn während dieser Maulbronner Periode ein hitziges Fieber abermals an den Rand des Grabes gebracht hatte, vermochte K. gleichwohl am 25. Septbr. 1588 der Baccalaureats-Prüfung in Tübingen mit Erfolg sich zu unterziehen, so daß er nunmehr fein drittes und letztes Studienjahr in der Klosterschule in respectirterer Stellung zurücklegen durfte. Gar Unerfreuliches hatte sich inzwischen zu Hause ereignet: der Bruder Heinrich hatte sich als ein Taugenichts erwiesen, und der Vater hatte wiederum die Heimath verlassen, um in dem zwischen den Spaniern und Portugiesen um die canarischen Inseln geführten Seekriege in der Stelle als Hauptmann eines Fähnleins auf ersterer Seite mitzukämpfen. Er kam zwar aus demselben glücklich zurück, allein auf der Heimreise ereilte ihn der Tod in der Nähe von Augsburg.


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