Der Cygnus Loop und seine Teilstrukturen NGC 6960 und NGC 6992

Der Cygnus Loop und seine Teilstrukturen NGC 6960 und NGC 6992

Der Cygnus Loop ist ein weit ausgedehnter Supernova Überrest im Sternbild Schwan (Cygnus), der zu den eindrucksvollsten und bekanntesten Objekten dieser Art am Nachthimmel zählt. Seine Geschichte begann mit einer massiven Sternexplosion vor etwa 10.000 bis 20.000 Jahren – einem Ereignis, bei dem ein großer Stern am Ende seiner Lebenszeit in einer Supernova zerbarst und dabei seine äußeren Hüllen in den interstellaren Raum schleuderte. Die gewaltige Energie dieser Explosion durchdrang die umgebenden Gas- und Staubschichten und setzte eine sich ausdehnende Stoßwelle in Gang, die bis heute sichtbar ist.

Der Cygnus Loop erstreckt sich über rund drei Grad am Himmel – das entspricht etwa sechs Vollmonddurchmessern. Mit einer realen Ausdehnung von etwa 90 Lichtjahren und einer Entfernung von ungefähr 2.400 Lichtjahren von der Erde, nimmt dieser Nebelkomplex eine riesige Region innerhalb der Milchstraße ein. Was wir heute sehen, ist die leuchtende Hülle dieser Explosion, bestehend aus ionisiertem Gas und Staub, das durch die noch immer aktiven Stoßfronten zum Strahlen angeregt wird. Die Struktur erscheint dabei wie ein zerfetzter, filamentartiger Schleier, der sich in farblich unterschiedlichen Bändern durch den Raum zieht – abhängig von den angeregten Elementen wie Wasserstoff, Sauerstoff oder Schwefel.

Innerhalb des Cygnus Loops ragen besonders zwei markante Teilregionen hervor: NGC 6960 und NGC 6992. Diese stellen die auffälligsten sichtbaren Segmente des Supernovaüberrests dar und sind astronomisch sowie ästhetisch gleichermaßen bedeutsam.

NGC 6960, oft auch als Witch’s Broom Nebula („Hexenbesen-Nebel“) bezeichnet, ist der westliche Teil des Loops. Er liegt scheinbar nahe beim hellen Stern 52 Cygni, der jedoch lediglich zufällig im Vordergrund steht und nicht mit dem Nebel selbst verbunden ist. NGC 6960 ist geprägt durch besonders feine, faserige Strukturen, die wie zerzauste Rauchfahnen wirken. Diese Erscheinung entsteht durch die Wechselwirkung der Supernova-Stoßwelle mit interstellarem Material, das in dünnen Schichten verdichtet und ionisiert wird. Besonders in der langbelichteten Astrofotografie leuchtet dieser Bereich in faszinierenden Blautönen, verursacht durch doppelt ionisierten Sauerstoff.

Der östliche Gegenspieler des Hexenbesens ist NGC 6992, häufig in Verbindung mit NGC 6995 und IC 1340 genannt. Dieser östliche Abschnitt wird manchmal auch als Eastern Veil oder Netz-Nebel bezeichnet. Im Vergleich zu NGC 6960 erscheint er deutlich heller und komplexer, mit intensiveren Strukturen und einer höheren Konzentration leuchtender Gase. Dieser Bereich stellt die andere Seite der expandierenden Supernova-Schale dar und zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Stoßfront in verschiedenen Regionen des interstellaren Mediums auftrifft. Während sie in dünneren Bereichen nahezu ungebremst expandiert, führt dichteres Material zu komplexeren Strukturen, Rückstößen und Turbulenzen – Prozesse, die wir in NGC 6992 besonders gut beobachten können.

Sowohl NGC 6960 als auch NGC 6992 sind leuchtende Zeugnisse der gewaltigen Energien, die bei einer Supernova freigesetzt werden, und sie zeigen, wie sich diese Kräfte über Jahrtausende in der Struktur des interstellaren Raums niederschlagen. Die ionisierten Gase strahlen in spezifischen Spektrallinien und erlauben es Astronomen, chemische Zusammensetzungen, Geschwindigkeiten und Temperaturverläufe zu analysieren. Dabei zeigt sich, dass solche Supernovaüberreste nicht nur spektakulär aussehen, sondern auch für die chemische Anreicherung des Weltalls entscheidend sind – Elemente wie Sauerstoff, Eisen oder Silizium stammen direkt aus solchen Sternenexplosionen.

Heute ist der Cygnus Loop ein beliebtes Beobachtungsobjekt für Amateur- und Profiastronomen gleichermaßen. Durch den Einsatz moderner Filter und Langzeitbelichtung lässt sich der Schleiernebelkomplex auch mit mittleren Teleskopen eindrucksvoll darstellen – besonders in Hα- und OIII-Licht. Die faszinierende Struktur, die Vielfalt der Farben und die wissenschaftliche Bedeutung machen den Cygnus Loop mit seinen Bestandteilen NGC 6960 und NGC 6992 zu einem der schönsten und lehrreichsten Fenster in die Vergangenheit unseres Kosmos – ein stilles, aber leuchtendes Zeugnis des ewigen Kreislaufs von Geburt, Tod und Wiedergeburt der Sterne.


Links oben im Bild mist auch der Stern Gienah zu sehen.

Gienah im Sternbild Schwan (Cygnus), auch Epsilon Cygni genannt, ist ein orange leuchtender Riesenstern der Spektralklasse K0 III. Er befindet sich in etwa 72 Lichtjahren Entfernung und hat eine scheinbare Helligkeit von rund 2,5 mag. Als Teil des markanten Kreuzes im Schwan bildet Gienah den „westlichen Flügel“ des Sternbilds. Der Name „Gienah“ stammt aus dem Arabischen und bedeutet „Flügel (des Schwans)“, was seine Position im Sternbild treffend beschreibt.


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