Geheimnisvolle Anomalien im Erdmantel – Hinweise auf versunkene tektonische Platten?

Geologen haben im Erdmantel der Erde ungewöhnliche Anomalien entdeckt, die auf den ersten Blick wie versunkene tektonische Platten wirken. Diese Strukturen liegen jedoch weit entfernt von den bekannten Plattengrenzen und werfen daher große Fragen auf. Eine der größten Anomalien befindet sich unter dem westlichen Pazifik in Tiefen zwischen 900 und 1.200 Kilometern. Ihre Ausdehnung und Form erinnern an untergetauchte Platten, doch ihre Lage macht eine klassische Erklärung nahezu unmöglich. Forscher stehen vor dem Rätsel, wie solche Strukturen dort entstehen konnten. Die Entdeckung wurde durch seismische Tomographie möglich, die den inneren Aufbau der Erde sichtbar macht. Solche Techniken erlauben es, Unterschiede in der Dichte und Ausbreitungsgeschwindigkeit von seismischen Wellen zu erkennen. Dabei fallen Regionen auf, in denen die Materialeigenschaften stark von der Umgebung abweichen. Diese sogenannten Anomalien weisen auf dichte, kalte Bereiche hin, die sich wie subduzierte Platten verhalten könnten. Normalerweise entstehen Subduktionszonen nur an aktiven Plattengrenzen, wo eine Platte unter eine andere abtaucht. Die aktuelle Entdeckung liegt jedoch weit entfernt von allen bekannten Subduktionszonen. Dies widerspricht dem bisherigen Verständnis der Plattentektonik. Das Forschungsteam prüft daher alternative Erklärungen für diese ungewöhnlichen Strukturen. Eine Möglichkeit ist, dass es sich um besonders alte und stabile Mantelstrukturen handelt, die seit Milliarden Jahren existieren. Solche Strukturen könnten aus der Zeit stammen, als die Kontinente noch anders verteilt waren. Andere Hypothesen deuten auf bisher unbekannte dynamische Prozesse im tiefen Erdmantel hin. In diesen Tiefen herrschen extreme Drücke und Temperaturen, die das Verhalten von Gesteinen stark verändern. Die Anomalien könnten aus Materialien bestehen, die sich besonders dicht zusammenziehen und seismische Wellen stark beeinflussen. Auch chemische Unterschiede im Mantelmaterial könnten die ungewöhnlichen Signaturen verursachen. Das Team hat versucht, die Anomalien mit bekannten Hotspots und vulkanischen Aktivitäten in Verbindung zu bringen, fand jedoch keine direkte Korrelation. Die Forscher betonen, dass bisher nur spekulative Modelle existieren. Trotz umfangreicher Daten bleibt die genaue Natur der Strukturen unklar. Einige Wissenschaftler vermuten, dass sie Relikte von uralten Superkontinenten sein könnten. Andere halten es für möglich, dass sich lokale Mantelströme in unerwarteter Weise konzentrieren. Neue seismische Messungen sollen in Zukunft mehr Klarheit bringen. Geophysiker planen, hochauflösende Tomographien zu erstellen, um die genaue Form zu erfassen. Zudem könnten Laboruntersuchungen von Gesteinsproben aus ähnlichen Tiefen Hinweise liefern. Die Entdeckung wirft grundsätzliche Fragen über die Stabilität und Dynamik des tiefen Erdmantels auf. Sie zeigt, dass unser Verständnis der Erde noch immer unvollständig ist. Solche Anomalien könnten auch die Entstehung von Vulkanismus und Erdbeben beeinflussen. Sie verdeutlichen, dass der Mantel keine homogene Schicht ist, sondern komplexe Strukturen enthält. Die Forschung an diesen Strukturen könnte zu neuen Erkenntnissen über die Plattentektonik führen. Es besteht die Möglichkeit, dass die Mantelkonvektion auf bisher unbekannte Weise verläuft. Die Anomalien könnten zudem Hinweise auf frühe geologische Ereignisse liefern. Einige Modelle vermuten, dass sie mit dem Zerfall alter Plattenreste zusammenhängen. Andere Ansätze sehen sie als Ergebnis chemischer Differenzierung im Erdinneren. Die Wissenschaftler hoffen, durch weitere Daten die Unsicherheiten zu verringern. Aktuell bleibt unklar, ob die Anomalien wirklich „versunkene Platten“ sind oder nur ähnliche physikalische Eigenschaften besitzen. Dennoch gilt die Entdeckung als bedeutend, weil sie das Bild der Erdinneren Struktur verändert. Künftige Forschung könnte auch Auswirkungen auf die Modelle der Erdrotation und des Magnetfeldes haben. Die Anomalien sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie wenig wir über die tiefsten Schichten unseres Planeten wissen. Sie könnten langfristig unser Verständnis der geologischen Evolution der Erde revolutionieren. Trotz aller Ungewissheit bietet die Entdeckung faszinierende Einblicke in die komplexe Dynamik des Mantels. Das Forschungsteam arbeitet weiterhin daran, die Geheimnisse dieser „unmöglichen“ Strukturen zu entschlüsseln. Jede neue Messung könnte entscheidende Hinweise liefern, wie solche Anomalien entstanden sind. Das Rätsel bleibt bestehen, aber es zeigt einmal mehr, wie dynamisch und überraschend unser Planet ist.
Entdeckung und Lokalisierung der Anomalien
- Ort:
- Unter dem westlichen Pazifik (eine der größten und prominentesten Zonen).
- Auch unter anderen Ozeanen und sogar tief unter Kontinenten wurden solche rätselhaften Zonen entdeckt.
- Tiefe: Die Anomalien liegen typischerweise im unteren Erdmantel, beispielsweise in Tiefen von 900 bis 1.200 Kilometern.
- Nachweismethode: Sie wurden durch die Analyse des Verhaltens von seismischen Wellen (Erdbebenwellen) entdeckt.
- In diesen Zonen breiten sich die Wellen anders aus (z.B. schneller oder langsamer) als im umgebenden Material, was auf Gesteine hindeutet, die kälter oder anders zusammengesetzt sind.
- Widerspruch zur Theorie: Die Zonen befinden sich weit entfernt von den heute bekannten Subduktionszonen (Plattengrenzen, an denen eine tektonische Platte unter eine andere abtaucht). Nach geologischen Erkenntnissen der jüngeren Erdgeschichte sollte dort kein Subduktionsmaterial vorhanden sein.
Mögliche Erklärungen und Hypothesen
Die Wissenschaftler spekulieren über die genaue Natur dieser Anomalien, da eine abschließende Klärung schwierig ist, solange nur indirekte seismische Messungen vorliegen. Die Hauptthesen sind:
- 1. Überreste versunkener tektonischer Platten (Slabs)
- Die Anomalien könnten tatsächlich Reste alter, abgetauchter tektonischer Platten sein, die von Subduktionsprozessen aus der fernen geologischen Vergangenheit stammen.
- Ihre Anwesenheit an unerwarteten Orten würde bedeuten, dass das Bewegungsmuster und die Zersetzung der Platten im Erdmantel komplexer sind als bisher angenommen.
- Dies würde eine Revision des aktuellen Verständnisses der Plattentektonik und der Konvektionsströme im Mantel erforderlich machen.
- 2. Uraltes Gesteinsmaterial
- Eine andere Vermutung ist, dass es sich um besonders alte, silikatreiche Gesteine handelt.
- Dieses Material könnte seit der Entstehung des Erdmantels vor bis zu vier Milliarden Jahren an diesen Stellen unverändert überdauert haben, möglicherweise als Reste der frühesten Erdkruste (Hadaean protocrust).
- Dies würde auf Zonen hindeuten, die trotz der Mantelkonvektion (der langsamen Umwälzung des Mantelmaterials) weitgehend isoliert geblieben sind.
- 3. Anreicherung eisenreichen oder basaltreichen Materials
- Die Zonen könnten durch die Ansammlung von eisenreichem Gestein über lange Zeiträume entstanden sein, was ebenfalls die gemessenen seismischen Geschwindigkeitsveränderungen erklären könnte.
- Basalt-angereicherte Mantelgesteine weisen im Allgemeinen höhere seismische Wellengeschwindigkeiten auf und könnten daher in den Daten wie abgetauchte Platten aussehen, obwohl sie keine sind.
Konsequenzen und Ausblick
- Grundlegende Fragen: Die Anomalien werfen grundlegende Fragen zur Dynamik der Erdkruste und des Mantels auf. Sie zwingen die Forscher, die Modelle zur Entstehung und Zerstörung von Platten an der Erdoberfläche neu zu bewerten.
- Verbesserte Modelle: Es sind bessere, hochauflösende Modelle und eine intensivere Beschäftigung mit den Materialeigenschaften erforderlich, um die chemische Zusammensetzung und den thermischen Zustand dieser Zonen genauer zu bestimmen.
- Interdisziplinäre Bedeutung: Die Erkenntnisse könnten auch Auswirkungen auf andere Forschungsfelder haben, wie die Vulkanologie oder die Klimaentwicklung der Erde.
Rätselhafte Anomalien im Erdmantel und versunkene Platten
Diese Anomalien werden in der Regel als Gebiete mit überdurchschnittlich hoher seismischer Geschwindigkeit interpretiert, was auf kühleres und/oder dichteres Material hindeutet (wie es bei subduzierten, also versunkenen, ozeanischen Platten zu erwarten wäre).
| Region der Anomalie | Tiefe (ca.) | Seismische Interpretation | Vermutete Ursache / Hypothese | Besonderheit / Rätsel |
| Unter dem westlichen Pazifik | 900 – 1.200 km (unterer Mantel) | Hohe seismische Geschwindigkeit | Reste einer versunkenen ozeanischen Platte (Slab) | Liegt weit entfernt von modernen Subduktionszonen, was dem gängigen Modell widerspricht. Wird als „unmögliche versunkene Welt“ bezeichnet. |
| Unter Subduktionszonen | 100 – 2.900 km (je nach Subduktionsart) | Hohe seismische Geschwindigkeit | Aktive Subduktions-Slabs (abtauchende ozeanische Platten) | Hier erwartet und bestätigt die Theorie der Plattentektonik die Präsenz des kühleren, dichteren Materials. |
| Unter dem westlichen Südamerika | Ähnlich 900 – 1.200 km | Hohe seismische Geschwindigkeit | Möglicherweise kleinere, vertikal orientierte versunkene Plattenreste | Wie die Pazifik-Anomalie: Fund in unerwarteter geologischer Lage, deren Ursprung und genaue Materialzusammensetzung noch unklar ist. |
| Grenzbereich Oberer/Unterer Mantel | ca. 660 km | Stau- oder Ablenkungsphänomene (unterschiedliche Geschwindigkeiten) | „Slab Stagnation“: Die abtauchende Platte hält an dieser Grenze an und staut sich, bevor sie weiter in den unteren Mantel sinkt. | Bestätigt durch Materialeigenschaften bei hohem Druck, die den Elementaustausch verlangsamen und die Dichte der Platte verzögert erhöhen. |






