Virgo-Galaxienhaufen – Galaxien so weit das Auge reicht

Der Virgo-Galaxienhaufen stellt die massereichste Ansammlung von Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft dar und bildet das physikalische Zentrum des lokalen Superhaufens. Er befindet sich in einer Entfernung von etwa 54 Millionen Lichtjahren und erstreckt sich über ein gewaltiges Gebiet in den Sternbildern Jungfrau und Haar der Berenike. Insgesamt umfasst dieser monumentale Haufen schätzungsweise 1300 bis 2000 einzelne Galaxien, die durch ihre gegenseitige Gravitation aneinander gebunden sind. Das Herzstück des Haufens wird von drei riesigen elliptischen Galaxien dominiert, nämlich Messier 49, Messier 60 und der berühmten Messier 87. Besonders Messier 87 steht oft im Fokus der Forschung, da sie in ihrem Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch beherbergt, von dem erstmals ein direktes Bild aufgenommen werden konnte. Die Verteilung der Galaxien innerhalb des Haufens ist nicht gleichmäßig, sondern weist eine komplexe Unterstruktur mit verschiedenen Zentren und Filamenten auf. Man unterscheidet heute mehrere Untergruppen, wobei die Gruppe um Messier 87 die größte Masse auf sich vereint. Zwischen den Galaxien befindet sich ein extrem heißes, dünnes Gas, das im Röntgenlicht leuchtet und als Intracluster-Medium bezeichnet wird. Dieses Gas ist so heiß, dass es Rückschlüsse auf das gewaltige Gravitationspotenzial des gesamten Haufens zulässt. Auffällig ist die morphologische Segregation innerhalb des Virgo-Haufens, da sich im Zentrum vor allem elliptische Galaxien und im Außenbereich vermehrt Spiralgalaxien befinden. Die Spiralgalaxien, die in den Haufen hineinstürzen, verlieren oft ihr kühles Gas durch den Druck des heißen Mediums, was ihre Sternentstehung drastisch reduziert. Ein bekanntes visuelles Merkmal für Beobachter ist die Markarjan-Kette, eine elegante bogenförmige Anordnung mehrerer Galaxien im Zentrum des Haufens. Die gesamte Masse des Virgo-Haufens ist so gewaltig, dass sie eine messbare Anziehung auf unsere eigene Lokale Gruppe und die Milchstraße ausübt. Dieser Effekt wird in der Astronomie als Virgo-Infall bezeichnet und beschreibt unsere Bewegung auf dieses Massenzentrum zu. Die Erforschung des Haufens begann bereits im 18. Jahrhundert durch Charles Messier, der viele der hellsten Mitglieder in seinen Katalog aufnahm. Seither dient der Virgo-Haufen als wichtiges Labor für die extragalaktische Astronomie und die Bestimmung der kosmischen Distanzleiter. Durch die Beobachtung von veränderlichen Sternen in diesen Galaxien konnten Astronomen den Wert der Hubble-Konstante und damit das Alter des Universums präziser bestimmen. Trotz seiner Größe ist der Virgo-Haufen dynamisch gesehen noch ein junges Gebilde, das sich immer noch im Prozess der Formierung befindet. Die gravitativen Wechselwirkungen zwischen den Mitgliedern führen häufig zu Gezeitenschweifen und Deformationen der Galaxienscheiben. Dunkle Materie spielt eine entscheidende Rolle für den Zusammenhalt des Haufens, da die sichtbare Materie allein nicht ausreichen würde, um die hohen Geschwindigkeiten der Galaxien zu erklären. Simulationen zeigen, dass der Virgo-Haufen in Zukunft noch weitere Galaxiengruppen aus seiner Umgebung verschlingen wird. Für Amateurastronomen ist der Frühling die beste Zeit, um die hellsten Galaxien des Haufens bereits mit mittleren Teleskopen aufzuspüren. Man benötigt jedoch einen dunklen Himmel, um die schwachen Außenbereiche der riesigen elliptischen Systeme und die zarten Spiralarme der Randmitglieder zu erkennen. Die schiere Ausdehnung des Haufens am Himmel beträgt mehrere Grad, was dem Vielfachen des Vollmonddurchmessers entspricht. Die Vielfalt der Galaxientypen im Virgo-Haufen reicht von riesigen Zwerggalaxien bis hin zu prächtigen Welteninseln ähnlich unserer Milchstraße. Jede dieser Galaxien erzählt eine eigene Geschichte über Kollisionen und Verschmelzungen im Laufe von Milliarden von Jahren. Moderne Durchmusterungen im Infrarot- und Radiobereich offenbaren verborgene Strukturen, die im sichtbaren Licht unsichtbar bleiben. Die Analyse der Metallizität des Gases im Haufen gibt Aufschluss darüber, wie viele Sterngenerationen bereits Material in den intergalaktischen Raum abgegeben haben. Der Virgo-Haufen ist somit nicht nur eine Ansammlung von Lichtpunkten, sondern ein Schlüssel zum Verständnis der großräumigen Struktur des Kosmos. Er bildet eine Brücke zwischen der lokalen Astronomie und den fernen Weiten des frühen Universums. Mathematische Modelle der Haufendynamik helfen dabei, die Verteilung der dunklen Materie auf großen Skalen zu kartieren. Auch die kosmische Hintergrundstrahlung wird durch den Durchgang durch das heiße Gas des Haufens leicht beeinflusst. Insgesamt bleibt der Virgo-Haufen eines der am besten untersuchten Objekte der modernen Astrophysik. Seine Nähe erlaubt es uns, Details zu sehen, die bei weiter entfernten Galaxienhaufen verborgen bleiben würden. Jede neue Generation von Teleskopen liefert tiefere Einblicke in die komplexen Prozesse, die dort ablaufen. Letztlich zeigt uns der Blick auf diesen Galaxienhaufen unsere eigene bescheidene Position am Rande eines gewaltigen kosmischen Netzwerks.
Der Virgo-Galaxienhaufen ist die beeindruckendste Ansammlung von Welteninseln in unserer relativen kosmischen Nachbarschaft und bildet das gravitative Herz des Virgo-Superhaufens, zu dem auch unsere Milchstraße gehört. In einer Entfernung von etwa 54 Millionen Lichtjahren gelegen, umfasst dieser Haufen zwischen 1300 und 2000 Galaxien, die sich über ein riesiges Himmelsareal in den Sternbildern Jungfrau und Haar der Berenike erstrecken.
Die herrschenden Giganten
Im Zentrum des Haufens thronen drei gigantische elliptische Galaxien, die das System dominieren: Messier 87 (M87), M49 und M60.
- Messier 87: Sie ist das massereichste Mitglied und bekannt für ihr supermassereiches Schwarzes Loch sowie einen gigantischen Jet aus Materie, der über 5000 Lichtjahre weit ins All schießt.
- Markarjans Kette: Ein visuelles Highlight für Astronomen ist diese bogenförmige Anordnung von Galaxien (darunter M84 und M86), die sich wie eine Perlenschnur durch das Haufenzentrum zieht.
Zusammensetzung und Struktur
Der Haufen ist keine starre Kugel, sondern eine dynamische, etwas unregelmäßige Struktur, die in mehrere Untergruppen unterteilt ist.
- Galaxientypen: Während im dichten Zentrum vor allem riesige elliptische Galaxien und Linsengalaxien zu finden sind, halten sich die spiralförmigen Galaxien eher in den Außenbereichen auf.
- Intracluster-Medium: Der Raum zwischen den Galaxien ist nicht leer, sondern von einem extrem dünnen, Millionen Grad heißen Gas erfüllt. Dieses Gas sendet starke Röntgenstrahlung aus und verrät den Astronomen, wie die Dunkle Materie im Haufen verteilt ist.
Gravitative Auswirkungen
Die Masse des Virgo-Haufens ist so gewaltig, dass sie die Expansion des Universums in unserer Umgebung lokal überlagert. Unsere eigene Lokale Gruppe wird mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Kilometern pro Sekunde in Richtung dieses Massenzentrums gezogen, ein Phänomen, das als Virgo-Infall bezeichnet wird.
Beobachtungstipps
Für Amateurastronomen ist der Virgo-Haufen im Frühjahr das ultimative Ziel. In einer einzigen Nacht lassen sich mit einem mittelgroßen Teleskop Dutzende von Galaxien in einem relativ kleinen Himmelsabschnitt aufspüren.
- Beste Zeit: März bis Mai.
- Ausrüstung: Ab 150 mm Öffnung werden die Strukturen der helleren Messier-Objekte deutlich sichtbar.
- Herausforderung: Das sogenannte „Galaxien-Hopping“, bei dem man sich von einer Galaxie zur nächsten hangelt, ohne die Orientierung zu verlieren.
Die wichtigsten Galaxien des Virgo-Haufens
| Galaxie | Typ | Entfernung (ca. Mio. Lichtjahre) | Besonderheit |
| Messier 87 (M87) | Elliptisch (E0) | 53,5 | Gigantische Radiogalaxie; erstes Foto eines Schwarzen Lochs. |
| Messier 49 (M49) | Elliptisch (E2) | 55,9 | Hellste Galaxie des Haufens; massereicher als M87. |
| Messier 60 (M60) | Elliptisch (E2) | 56,7 | Besitzt ein extrem massereiches Schwarzes Loch im Zentrum. |
| Messier 100 (M100) | Spirale (Sc) | 55,1 | Eine der größten und schönsten Spiralen (Grand Design). |
| Messier 84 (M84) | Elliptisch (E1) | 57,4 | Westlicher Ankerpunkt der berühmten Markarjan-Kette. |
| Messier 86 (M86) | Linsenförmig (S0) | 52,0 | Zeigt eine starke Blauverschiebung (nähert sich uns an). |
| Messier 90 (M90) | Spirale (Sb) | 58,7 | Eine der massereichsten Spiralen; verliert Gas an den Haufen. |
| Messier 58 (M58) | Balkenspirale (SBb) | 62,0 | Eine der hellsten Balkenspiralgalaxien im Virgo-Haufen. |
| Messier 61 (M61) | Spirale (Sc) | 52,5 | Bekannt für die hohe Rate an beobachteten Supernovae. |
| NGC 4438 (Augen) | Interagierend | 52,0 | Stark verzerrte Galaxie durch Gezeitenwechselwirkungen. |
Einordnung der Entfernungen
Obwohl der Durchschnittswert für das Zentrum des Virgo-Haufens oft mit etwa 54 Millionen Lichtjahren angegeben wird, zeigt die Tabelle, dass sich die Einzelobjekte in einer Tiefe von etwa 50 bis 65 Millionen Lichtjahren erstrecken. Dies verdeutlicht die enorme räumliche Ausdehnung des Haufens.
Dynamik und Beobachtung
Auffällig ist, dass Galaxien wie Messier 86 trotz der allgemeinen Expansion des Universums eine Blauverschiebung aufweisen. Das liegt daran, dass sie innerhalb des Haufens so schnell auf dessen Zentrum (und damit zufällig in unsere Richtung) zustürzen, dass ihre Eigenbewegung die kosmische Ausdehnung überlagert.
Visuelle Highlights: Die Markarjan-Kette
Die wohl berühmteste Struktur innerhalb des Haufens ist die Markarjan-Kette. Dabei handelt es sich um eine scheinbare Linie von Galaxien, die einen eleganten Bogen am Himmel beschreiben. Sie beginnt bei den hellen elliptischen Galaxien M84 und M86 und setzt sich über die „Augen“ (NGC 4435/4438) bis hin zu NGC 4477 fort.
Warum sind diese Galaxien wichtig?
Diese Objekte dienen den Astronomen als Referenzpunkte für verschiedene kosmische Phänomene:
- M87 ist das Paradebeispiel für aktive Galaxienkerne (AGN).
- Die Spiralgalaxien im Virgo-Haufen zeigen oft einen Mangel an neutralem Wasserstoff, da dieser durch die Bewegung durch das heiße Gas des Haufens „weggeblasen“ wird (Ram-Pressure Stripping).
- M100 wurde intensiv genutzt, um mit Hilfe von Cepheiden-Sternen die Entfernungsskala des Universums zu kalibrieren.






